Corona-Krise in Deutschland — welche staatlichen Hilfen gibt es
für Unternehmen und Start-Ups? (Stand: 17.3.2020)

Dennis Hillemann
7 min readMar 18, 2020

Ein Überblick durch einen deutschen Fachanwalt für Verwaltungsrecht.

I. Vorbemerkung

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der staatlichen Unterstützung von Unternehmen vor dem Hintergrund der Corona-Krise. Es geht um finanzielle Leistungen des Staates bzw. der EU, nicht aber um Anpassungen bzw. Änderungen arbeitsrechtlicher Art wie etwa die Erleichterung der Kurzarbeit.

Bitte beachten Sie: Dieser Beitrag gibt einen Überblick über staatliche Hilfsmaßnahmen, der den Stand von Dienstag, d. 17. März 2020 widerspiegelt. Angesichts der dynamischen Lage können sehr schnell Änderungen auftreten. Soweit möglich, werden Änderungen innerhalb eines Tages berücksichtigt. Aber: Es ist kein Rechtsrat. Was hier gerade steht, könnte am nächsten Tag schon überholt sein. Es gilt wie immer: Do your own research! Der Beitrag versteht sich aber als Orientierungshilfe.

II. Durch den Bund gewährte Liquiditätshilfen

Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem Unternehmen bei der Bewältigung der Corona-Krise unterstützt werden — „Ein Schutzschuld für Beschäftige und Unternehmen“. Das Programm beruht auf vier Säulen. Hier interessiert besonders die dritte Säule, ein „Milliarden-Schutzschuld für Betriebe und Unternehmen“. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass Unternehmen durch Störungen in den Lieferketten oder aufgrund eines deutlichen Nachfragerückgangs unverschuldet in Finanznöte geraten können. Vor allem kann sich die Ausstattung mit liquiden Finanzmitteln verschlechtern. Um hier Abhilfe zu schaffen, sollen zunächst bestehende Programme für Liquiditätshilfen ausgeweitet werden, um den Zugang der Unternehmen zu günstigen Krediten zu erleichtern. Hierbei kommt der staatlichen Förderbank KfW eine Schlüsselaufgabe zu. Sie soll die kurzfristige Versorgung von Unternehmen mit Finanzmitteln erleichtern. Die KfW wird dazu die nachfolgend gelisteten, bestehenden Kreditprogramme auf dem Weg der Bankdurchleitung sowie im Rahmen von Konsortialfinanzierungen nutzen und dort die Zugangsbedingungen und Konditionen für Unternehmen verbessern. Bundesfinanzminister Olaf Scholz betonte in diesem Zusammenhang, dass die von der KfW zu vergebenden Kredite nicht gedeckelt seien. Es sei insoweit keine Obergrenze für die zu vergebenden Kreditsummen vorhanden.

Zur Deckung von kurzfristigem Liquiditätsbedarf stehen für Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe daher folgende Förderinstrumente zur Verfügung:

1. Angesichts der Corona-Krise angepasster Kredit für Unternehmen bis zu fünf Jahre nach Gründung:

ERP-Gründerkredit Universell — Förderung von Investitionen, Betriebsmitteln sowie Material- und Warenlagern; ausgezahlt werden bis zu 25. Mio Euro

Verbesserungen im Sinne der KfW-Corona-Hilfe für Unternehmen:

- Risikoübernahme von bis zu 80 % für Betriebsmittelkredite bis 200 Mio. Euro Kreditvolumen

- Öffnung der Haftungsfreistellung auch für Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2 Mrd. Euro

2. Angesichts der Corona-Krise angepasste Kredite für Unternehmen, die mindestens fünf Jahre am Markt sind:

  • KfW-Unternehmerkredit — Finanzierung von Investitionen und Betriebsmitteln; ausgezahlt werden bis zu 25 Mio. Euro pro Vorhaben;

Verbesserungen im Sinne der KfW-Corona-Hilfe für Unternehmen:

- Risikoübernahme von bis zu 80 % für Betriebsmittelkredite bis 200 Mio. Euro Kreditvolumen

- Öffnung der Haftungsfreistellung auch für Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 2 Mrd. Euro

  • KfW-Kredit für Wachstum — Finanzierung von Investitionen und Betriebsmittel in den Bereichen Innovation und Digitalisierung für in- und ausländische Unternehmen mit einem Umsatz bis 2 Mrd. Euro; leichterer Kreditzugang, da die KfW einen Teil des Risikos trägt.

Verbesserungen im Sinne der KfW-Corona-Hilfe für Unternehmen:

- Temporärer Erweiterung auf allgemeine Unternehmensfinanzierung inkl. Betriebsmittel im Wege der Konsortialfinanzierung

- Erhöhung der Umsatzgrenze für antragsberechtigte Unternehmen auf 5 Mrd. Euro

- Erhöhung der anteiligen Risikoübernahme auf bis zu 70 %

KfW-Unternehmer- wie auch ERP-Gründerkredite sind über Banken und Sparkassen bei der KfW zu beantragen. Informationen dazu gibt es auf der Webseite der KfW und bei allen Banken und Sparkassen. Die Hotline der KfW für gewerbliche Kredite lautet: 0800 539 9001.

Wichtig ist es also, sich an seine reguläre Bank zu wenden und dort um Unterstützung zu bitten. Allerdings ist es Stand heute so, dass die meisten Banken auch noch keine genaueren Informationen haben. Trotzdem gilt der alte Spruch aus der Sesamstraße: Wer nicht fragt, bleibt dumm. Ich bleibe dran und informiere über die weiteren Entwicklungen.

3. KfW-Sonderprogramme

Darüber hinaus wird die KfW für kleine und mittlere sowie für große Unternehmen je ein Sonderprogramm vorbereiten und schnellstmöglich einführen. Dafür werden die Risikoübernahmen bei Investitionsmitteln (Haftungsfreistellungen) deutlich verbessert und betragen bei Betriebsmitteln bis zu 80 %, bei Investitionen sogar bis zu 90 %. Diese sollen auch von Unternehmen in Anspruch genommen werden können, die krisenbedingt vorübergehend in Finanzierungsschwierigkeiten (krisenadäquate Erhöhung der Risikotoleranz) geraten sind. Überdies wird die KfW für diese Unternehmen konsortiale Strukturen anbieten. Der Start dieser Sonderprogramme unterliegt allerdings dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Europäische Kommission.

4. Bürgschaften

Für wirtschaftlich gesunde Unternehmen können Bürgschaften für Betriebsmittelkredite zur Verfügung gestellt werden. Bis zu einem Betrag von 1,25 Millionen Euro werden diese durch die Bürgschaftsbanken bearbeitet, darüber hinaus sind die Länder beziehungsweise deren Förderinstitute zuständig. Ab einem Bürgschaftsbetrag von 20 Millionen Euro beteiligt sich der Bund in den strukturschwachen Regionen am Bürgschaftsobligo im Verhältnis fünfzig zu fünfzig. Bürgschaften können maximal 80 Prozent des Kreditrisikos abdecken, das heißt, die jeweilige Hausbank muss mindestens 20 Prozent Eigenobligo übernehmen.

5. Exportkreditgarantien (sog. Hermesdeckungen)

Der Bund übernimmt aktuell weiterhin Exportkreditgarantien (sogenannte Hermesdeckungen) für Exporte nach China beziehungsweise in Coronavirus-Risikogebiete. Ansprechpartner für weitergehende Fragen sind die Mandatare des Bundes von der Euler Hermes AG in Hamburg.

6. Situation von Wagniskapital-Unternehmensgründungen (Start-Ups im Venture Capital-Kontext)

Im Bereich der Liquiditätshilfen fragt sich, inwieweit auch solche Unternehmen staatliche Förderung erwarten dürfen, die sich derzeit wesentlich über Wagniskapital finanzieren und ggf. noch keine Gewinne erzielen konnten. Immerhin haben einige Kommentatoren betont, dass man jetzt „eigentlich gesunden“ Unternehmen helfen müsse, die ohne die Corona-Krise wirtschaftlich seien.

Hierzu stehen genauere Informationen noch aus. Zwar sehen die bisherigen Förderinstrumente der KfW gerade auch Gründerkredite vor. Der ERP-Gründerkredit Universell etwa soll, wie dargestellt, im Sinne der Corona-Hilfe u.a. durch erhöhte Risikoübernahmen verbessert werden. Darüber hinaus ist nach den Angaben der KfW grds. kein Eigenkapital erforderlich, um diesen Kredit in Anspruch zu nehmen. Allerdings kommt es für die Inanspruchnahme auf die Einstufung der Bonität durch das jeweilige durchleitende Kreditinstitut an, das den Vertrag mit dem Unternehmen abschließt und den Kontakt zur KfW herstellt. Einem Start-Up, das sich wesentlich durch Venture Capital finanziert, könnte eine unzureichende Bonität und infolgedessen eine mangelnde Eignung für die KfW-Produkte ausgestellt werden. Hier ist also weiter zu beobachten, inwieweit die Anforderungen für Start-Ups noch genauer gefasst werden. Nach einem nicht verifizierten Gerücht ist den Banken dieses Problem bewusst und sollen Möglichkeiten und Regeln einer Finanzierung von Unternehmen, die maßgeblich auf einem Business Plan beruht, noch weiter entwickelt werden. Ich empfehlen allen Start-Up, trotzdem auf Banken, insbesondere Förderbanken, zuzugehen.

III. Durch die Länder gewährte Liquiditätshilfen

Ergänzend zum ERP- und KfW-Angebot bieten auch die Landesförderinstitute zinsgünstige Betriebsmittelfinanzierungen bzw. entsprechende Betriebsmittelkomponenten in den Förderkrediten an. Einzelheiten sind bei den Förderinstituten der Länder zu erfragen:

Weitere Informationen sind auch über die Förderdatenbank des Bundeswirtschaftsministeriums erhältlich. Hier kann über die Suchfunktion anhand eines Themas, eines Bereichs oder der PLZ ein Überblick über Förderprogramme des Bundes, der Länder und der Europäischen Union gewonnen werden. Unter dem Stichwort „Corona“ gelangt man hier beispielsweise ebenfalls zu den bereits vorstehend aufgeführten Förderkrediten der Länder.

IV. Vorschlag der EU-Kommission für einen befristeten Rechtsrahmen für Wirtschaftsbeihilfen zur Wirtschaftsförderung während der Corona-Krise

Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten einen Entwurf für einen befristeten Rechtsrahmen zur Wirtschaftsförderung während der Corona-Krise unterbreitet. Dieser soll sich auf die Vertragsklausel des Art. 107 Abs. 3 Buchstabe b AEUV stützen, der vorsieht, dass Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können.

Die Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, stellte die beiden gemeinsamen Ziele der Mitgliedstaaten heraus: Die Liquidität der Unternehmen zu erhalten und den Bestand des Binnenmarkts in der Krise zu sichern.

Der Vorschlag spricht von vier Arten der zulässigen Beihilfen, nämlich

1. direkte Zuschüsse oder Steuervergünstigungen in Höhe von bis zu 500.000 Euro pro Unternehmen, um eilige Liquiditätsbedürfnisse zu erfüllen,

2. subventionierte Bürgschaften für Bankkredite der Unternehmen,

3. subventionierte Zinssätze, wobei die Zinssätze für KMU und größere Unternehmen unterschiedlich sein sollen,

4. Auskehrung von Subventionen über Banken direkt an die Empfänger (Betonung der wichtigen Rolle der Banken als Intermediäre zwischen Staaten und Unternehmen bei der Bewältigung der anstehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten).

Die EU-Kommission betont, dass diese Beihilfen solchen Unternehmen gewährt werden sollen, die erst nach dem 31. Dezember 2019 in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Dies soll sicherstellen, dass die Steuerzahler nicht solche Unternehmen entlasten, die sich unabhängig von der Corona-Krise in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Allerdings ist auch hier wieder ein Problem, dass damit Start-Ups, die keine schwarzen Zahlen schreiben, sondern ihrer Natur nach rote Zahlen, gegebenenfalls nicht darunter Fallen — hier wird es wohl auf die Frage ankommen, ob zum 31. Dezember 2019 die Finanzierung noch gesichert war. Das ist aber nur eine Mutmaßung.

Die EU-Kommission erwartet nun die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten und erhofft sich, das Regelwerk in den nächsten Tagen verabschieden zu können.

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Dennis Hillemann

Lawyer and partner with a track record of successful litigation and a passion for innovation in the legal field